Das "Toilet"

... Ich stelle fest, daß wir die einzigen Frauen sind (ich frage mich noch heute, warum man uns hineingelassen hat). Unsere Anwesenheit, immerhin ungewöhnlich inmitten dieser ausschließlich männlichen Klientel, stört im Augenblick anscheinend niemanden. Man tut ganz einfach so, als sehe man uns nicht. Also beginnen wir miteinander zu tanzen. Plötzlich aber beschließt meine Freundin, mir die Räumlichkeiten zu zeigen.

Über eine hölzerne Treppe steigen wir in einen Saal hinauf, der über dem ersten liegt, ebenso groß, aber vollkommen in das »schwarze Licht« getaucht, dessen Besonderheit darin besteht, nur das sichtbar zu machen, was weiß ist. Ich bemerke, daß wir ein Lager für Sanitäreinrichtungen betreten haben, deren fahle Farbe in diesem Licht aggressiv wirkt.

Wir sehen nichts als Anhäufungen von Porzellan, Bidets, Duschhecken, Waschbecken, die sorgfältig aufgestapelt oder einfach durcheinander liegengelassen wurden, Reihen von englischen WCs, teils benutzt, teils neu, an den Rändern stellenweise noch mit Schutzpapierstreifen überzogen. Viele sind staubig und verdreckt. Manche Becken dienen als Aschenbecher oder als Mülleimer und sind bis zum Rand voll mit Coca-Cola-Büchsen und diversem Unrat.

Im Halbdunkel huschen Silhouetten lautlos zwischen den Badewannen herum, Gestalten, die man undeutlich am düsteren, kalten Leuchten des Hemdes oder des Auges erkennt, die sich kreuzen, sich streifen, sich berühren, scheinbar ohne sich zu sehen, blinde und auch stumme Schatten: Sollte jede Unterhaltung hier so unschicklich sein, daß man, um sie zu unterbinden, die Musik bis an die Grenze des Erträglichen aufdreht?

Meine Freundin nimmt mich bei der Hand: »Komm.« Wir gehen die hölzerne Treppe wieder herunter. Unten stößt sie mit dem Fuß eine Flügeltür auf, die in einen vollständig dunklen Raum führt, wo das Geräusch von Wasser, leises Reiben, Murmeln, Atmen, die vage Empfindung unsichtbarer Körper mich begreifen lassen, daß ich mich am auserwählten Ort, im Allerheligsten, befinde.

Plötzlich streicht jemand ein Streichholz an, und für einenkurzen Augenblick kann ich sehen, was da geschieht: Männer urinieren mit offenem Hosenschlitz auf andere Männer die knien, hocken oder am Boden einer Keramikwand liegen, über die das Wasser in gleichmäßigen breiten Wellen läuft. Dann ist es erneut schwarz. Das Allerheiligste sind also die Toiletten (von daher der Name der Örtlichkeit „Toilet")

Drei-, viermal habe ich, im flüchtigen Licht der Flamme eines Streichholzes oder eines Feuerzeuges dieselbe Szene und auch eine große Holzplatte sehen können, die im rechten Winkel zu einer der Wände steht und mit runden Löchern versehen ist, durch die Männer ihr Glied anonymen Mündern oder Hintern entgegenstrecken. Dann sagt jemand halblaut, aber deutlich hörbar: »There are women ... «

Wir ziehen uns augenblicklich zurück: Wir hatten ein Schauspiel überrascht, das absolut nicht für uns Frauen bestimmt war.

-.-.-